Der Schmäh mit dem Rohmilchkäse aus thermisierter Milch

Der berühmte Tomme Fleurette aus Rougemont.

In diesem Artikel erörtere ich das Thema Rohmilchkäse. Was genau unterscheidet Rohmilchkäse, der aus thermisierter Milch hergestellt wird, von solchem aus unbehandelter Milch?

Beginnen wir mit der Definition von Rohmilchkäse (Quelle: Wikipedia): Rohmilchkäse ist Käse aus Milch, die zu Beginn des Käsereiprozesses nicht wärmebehandelt (>50 °C) oder bei 72–75 °C pasteurisiert wurde (Rohmilch). 

Basierend auf der Definition von Rohmilchkäse als Käse aus Milch, die im Käsereiprozess nicht über 50 °C erhitzt oder auf 72-75 °C pasteurisiert wurde, ist es verständlich, warum Käufer erwarten, dass Rohmilchkäse aus unbehandelter Milch hergestellt wird. Diese Definition impliziert, dass die Milch weitestgehend in ihrem natürlichen Zustand belassen wird, was bedeutet, dass sie keine signifikante Wärmebehandlung erfährt, die ihre ursprünglichen Eigenschaften verändert. Dies trägt zur Authentizität und zum traditionellen Charakter des Rohmilchkäses bei (mikrobielle Ökologie, Terroir).

Bedauerlicherweise trifft diese Erwartung immer seltener zu, besonders bei Weichkäsen.

Viele Weichkäse, die als Rohmilchkäse verkauft werden, bestehen tatsächlich aus thermisierter Milch. Oftmals sind sogar die Käsehändler selbst nicht darüber informiert, oder es wird ausgenutzt, dass der Verkauf von Käse aus thermisierter Milch unter der Bezeichnung „Rohmilchkäse“ rechtlich zulässig/notwendig ist.

Wie unterscheiden sich ein Weichkäse, der aus thermisierter Milch hergestellt wird, von einem, der aus unbehandelter Milch produziert wird?

Meine erste Diskussion zu diesem Thema fand 2009 in Bra, Italien, auf der Slow Food Cheese statt. Ein Käsehersteller erläuterte die Unterschiede:

  • „Rohmilchkäse aus thermisierter Milch“ zeichnet sich durch einen vielschichtigen Geschmack aus und reift im Kühlschrank weiter, wobei er zuverlässig und regelmäßig eingekauft wird, ohne dass jahreszeitliche oder fütterungsbedingte Geschmacksnuancen stark wahrgenommen werden.
  • Rohmilchkäse aus unbehandelter Milch bietet hingegen einen unberechenbaren, aber faszinierenden Charakter. Käseliebhaber schätzen seine Naturnähe und die erkennbaren Unterschiede von Kauf zu Kauf, die durch Faktoren wie Jahreszeit und Fütterung beeinflusst werden, wodurch er im Laufe des Jahres unterschiedlich schmeckt.

Senner, die Rohmilchkäse aus unbehandelter Rohmilch herstellen, wissen um die Empfindlichkeit des Rohstoffs. Eine enge Beziehung und kontinuierliche Kommunikation mit den Milchproduzenten sind daher essenziell für ein erfolgreiches Produkt. Bei thermisierter Milch wird die Verarbeitung standardisierter; Milch von verschiedenen Lieferanten wird gemischt. Obwohl Thermisierung für Sicherheit sorgt, bleibt Qualitätskontrolle wichtig. Das Ergebnis ist ein sicherer, geschmacklich konsistenter Käse, der erfolgreich als Rohmilchkäse vermarktet wird.

Leider ist vielen Genießern, Food-Bloggern, Journalisten und Gastronomen der Unterschied zwischen echtem Rohmilchkäse und Käse aus „thermisierter Rohmilch“ nicht immer bewusst. Sie sind durch Käsehändler und -produzenten, die vorrangig thermisierte Rohmilchprodukte vermarkten, in ihrem Geschmacksempfinden beeinflusst worden.

Ein interessanter Artikel/Test ist hier zu finden: Das blaue Wunder (Quelle: A la Carte).

Rohmilch ist das zentrale Thema des Artikels, in dem verschiedene Käse aus unbehandelter und thermisierter Rohmilch bewertet wurden. Es bleibt die Frage offen, welche Käse wie hergestellt wurden. Käse aus thermisierter Milch erhielten tendenziell bessere Bewertungen als jene aus unbehandelter Milch. Doch stellt sich die Frage, ob diese Käse wirklich qualitativ besser sind, oder ob sie vielleicht nur weniger komplex und daher leichter zu bewerten sind.

Produzenten und Käsehändler nutzen diese Praxis seit Jahren aus, indem sie Käse aus thermisierter Milch herstellen und als Rohmilchkäse vermarkten. Infolgedessen sind Weichkäse aus unbehandelter Milch aus Ländern wie der Schweiz, Italien oder Frankreich im Handel kaum noch zu finden. 

Ich möchte betonen, dass jeder den Käse essen sollte, den er mag, sei er aus pasteurisierter, thermisierter oder unbehandelter Milch hergestellt. Dennoch ist es wichtig, dass Verbraucher genau wissen, was sie essen.

Bitte betrachten Sie diesen Beitrag nicht als dogmatisch. In meinem Sortiment führe ich sowohl Weichkäse aus unbehandelter als auch aus thermisierter Milch. Letztlich ist es der Geschmack, der den Ausschlag gibt.

Thermisierung kann auf unterschiedliche Weisen durchgeführt werden, was erhebliche Auswirkungen auf die Eigenschaften des Käses hat. Wird die Milch nur kurz und schonend thermisiert, bleibt der Charakter der Rohmilch weitgehend erhalten, wodurch der resultierende Käse den Eigenschaften von Käse aus unbehandelter Milch sehr nahe kommt. Eine längere Thermisierung hingegen nähert sich in ihren Auswirkungen der Pasteurisierung an, was bedeutet, dass viele der ursprünglichen mikrobiellen und enzymatischen Eigenschaften der Milch verändert oder eliminiert werden, was den Geschmack und die Textur des Käses beeinflusst.

Definition Thermisiertung (Quelle: Österreichisches Lebensmittelbuch)
Jegliche Wärmebehandlung der Käsereimilch unterhalb der Pasteurisierungsbedingungen zur Reduktion hitzeempfindlicher Keime. Zur Erzielung einer wesentlichen
Keimreduktion werden folgende gleichwertige Temperatur / Zeitkombinationen empfohlen: 65 °C für 15 Sekunden, 60 °C für 5 Minuten oder 57 °C für 30 Minuten

Daraus folgt, dass jede Wärmebehandlung die knapp unter der Temperatur für das Pasteurisieren liegt als Rohmilchkäse deklariert werden darf. Der Konsument, der Wert auf Rohmilchkäse aus unbehandelter Milch legt, hat daher keine Möglichkeit zu prüfen ob es sich um einen „richtigen“ Rohmilchkäse handelt.

Artikel/Beträge in denen dieses Thema angesprochen wird:

Weichkäse, der aus unbehandelter und somit nicht thermisierter Milch hergestellt wird (echter Rohmilchkäse):

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Statement eines Käsers:

Viele Gastronomen, die ihren Gästen seit Jahren Rohmilchkäse empfehlen, servieren tatsächlich keine Weichkäse aus unbehandelter Rohmilch.

Stattdessen bieten sie Rohmilchkäse an, der aus thermisierter Milch hergestellt wurde. Durch die Wärmebehandlung der Milch wird jedoch die mikrobielle Ökologie und damit das einzigartige Terroir beeinflusst oder sogar zerstört.

Der Jersey Blue von Willi Schmid – Einer der wenigen Blauschimmelkäse aus unbehandelter Rohmilch.

WHY RAW MILK MATTERS

Source: https://www.cheeseprofessor.com/blog/celebrating-raw-milk-cheese

Raw milk is the foundation of traditional cheese, but what makes it so important is that in it, raw milk carries the microbial communities of each region. Thermalization and pasteurization diminish that microbial ecology. People in gastronomy consider this microbial ecosystem part of the terroir. In cheesemaking, terroir also includes human practices and animal/human interactions. These interactions start before the milk is even obtained, in fact even before the dairy animal is pregnant. They include breed selection, pasture rotation, and many other animal husbandry practices. Raw milk is the culmination of those practices. Raw milk is the foundation of traditional cheese, but what makes it so important is that in it, raw milk carries the microbial communities of each region. Thermalization and pasteurization diminish that microbial ecology. People in gastronomy consider this microbial ecosystem part of the terroir. In cheesemaking, terroir also includes human practices and animal/human interactions. These interactions start before the milk is even obtained, in fact even before the dairy animal is pregnant. They include breed selection, pasture rotation, and many other animal husbandry practices. Raw milk is the culmination of those practices.

Übersetzung:

„Rohmilch ist die Grundlage für traditionellen Käse, aber was sie so wichtig macht, ist, dass Rohmilch die mikrobiellen Gemeinschaften jeder Region in sich trägt. Thermisierung und Pasteurisierung beeinträchtigen die mikrobielle Ökologie. In der Gastronomie wird dieses mikrobielle Ökosystem als Teil des Terroirs betrachtet. Bei der Käseherstellung umfasst das Terroir auch menschliche Praktiken und Interaktionen zwischen Tier und Mensch. Diese Wechselwirkungen beginnen, bevor die Milch überhaupt gewonnen wird, und zwar bereits bevor das Milchvieh trächtig ist. Dazu gehören Rassenauswahl, Weidewechsel und viele andere Tierhaltungspraktiken. Rohmilch ist der Höhepunkt dieser Praktiken. Rohmilch ist die Grundlage für traditionellen Käse, aber was sie so wichtig macht, ist, dass Rohmilch die mikrobiellen Gemeinschaften jeder Region in sich trägt. Thermalisierung und Pasteurisierung verringern die mikrobielle Ökologie. In der Gastronomie wird dieses mikrobielle Ökosystem als Teil des Terroirs betrachtet.“

Was sagt uns ChatGPD zu diesem Thema?

Rohmilchkäse wird direkt aus unbehandelter Milch hergestellt, die nicht über eine bestimmte Temperatur erhitzt wurde. Dies bedeutet, dass die Milch direkt von der Kuh, Ziege oder Schaf kommt und zur Käseherstellung verwendet wird, ohne pasteurisiert oder hoch erhitzt zu werden. Der Hauptunterschied zwischen Rohmilchkäse und thermisiertem Milchkäse liegt in der Behandlung der Milch vor der Käseherstellung.

Thermisierte Milch ist leicht erhitzt, aber nicht in dem Maße wie pasteurisierte Milch. Die Thermisierung erfolgt bei Temperaturen zwischen 57 und 68 °C, was niedriger ist als die Pasteurisierungstemperatur von mindestens 72 °C. Dieser Prozess soll schädliche Bakterien reduzieren, ohne die gesamte Bakterienflora und Enzyme der Milch zu zerstören, die für die Käseproduktion und den Geschmack wichtig sind.

Rohmilchkäse behält mehr von den natürlichen Aromen der Milch, was zu einem komplexeren und intensiveren Geschmack führen kann. Liebhaber von Rohmilchkäse schätzen ihn für sein tiefes, vielfältiges Aroma und seine einzigartigen Geschmacksprofile, die durch die spezifischen Bedingungen der Milchgewinnung (wie die Ernährung und Rasse der Tiere sowie die regionale Flora) beeinflusst werden.

Thermisierter Milchkäse bietet einen Mittelweg zwischen Rohmilch- und vollständig pasteurisierten Produkten. Er behält einige der charakteristischen Aromen der Rohmilch bei, hat aber ein geringeres Risiko für mikrobielle Kontamination. Geschmacklich kann thermisierter Milchkäse immer noch komplex und reichhaltig sein, jedoch möglicherweise nicht ganz so ausgeprägt wie bei Rohmilchkäse.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Rohmilchkäse für seine authentischen und kräftigen Aromen bekannt ist, während thermisierter Milchkäse eine sicherere, mildere Alternative darstellt, die jedoch immer noch mehr Geschmack bietet als vollständig pasteurisierte Milchprodukte.

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